Bauministerin Geywitz rückt angesichts der kriselnden Bauwirtschaft von einer Verschärfung der Energiestandards für Neubauten ab. Der Wohnungsbau sei auf Grund hoher Baukosten und stark zurückgehender Bauanträge ohnehin in der Krise. Eine Verschärfung der Energiestandards, wie im Koalitionsvertrag vereinbart, wäre in dieser Situation kontraproduktiv.
Was war geplant?
Die Ampelkoalition hatte vereinbart, dass ab 2025 der Energieeffizienzstandard EH-40 für Neubauten vorgeschrieben werden soll. Das bedeutet, dass die Vorgaben für die Dämmung von Gebäuden gegenüber dem derzeit geltenden Standard EH-55 deutlich verschärft werden sollte. Dies hätte auch zu einer zusätzlichen Erhöhung der Baukosten geführt.
Geywitz stellte die Frage, ob die Dämmung ein Allheilmittel sei oder eher die Lebenszykluskosten eines Gebäudes betrachtet werden müssten. Seit dem 1. Januar 2023 müssen neue Gebäude den Energiestandard EH-55 erfüllen. Das bedeutet: Es verbraucht maximal 55 Prozent dessen, was ein Referenzgebäude an Energie verbraucht. Der EH-55-Standard wurde eingeführt, damit die Klimaziele im Gebäudesektor schneller erreicht werden.
Mehrkosten für Energiestandards konkret
Aus Faktencheck Maischberger: „Wie viel CO2 der EH-40-Standard gegenüber EH-55 einsparen würde, zeigt eine im Dezember 2022 veröffentlichte Studie des Eduard Pestel Instituts, die in Zusammenarbeit mit der Arbeitsgemeinschaft für zeitgemäßes Bauen und dem Beratungsunternehmen LCEE erstellt wurde (die Studie „Wohnungsneubau – THG-Emissionen, Energieverbrauch und Kosten im Lebenszyklus“ steht hier zum Download bereit). Exemplarisch werden darin die Emissionen eines neu gebauten Mehrfamilienhauses mit zwölf Wohnungen und einer Fläche von 880 Quadratmetern betrachtet. Beheizt wird dieses Haus mittels einer Wärmepumpe. Das Ergebnis: Über einen Zeitraum von 50 Jahren stößt das Wohnhaus bei einem EH-55-Standard insgesamt 702 Tonnen CO2 aus, beim strengeren Standard EH-40 sind es immer noch 689 Tonnen. Die Einsparung nach 50 Jahren beträgt also 13 Tonnen, was einem Anteil von 1,9 Prozent entspricht. Die Emissionen wurden dabei dynamisch berechnet, d.h. dass der beim Betrieb der Wärmepumpe anfallende CO2-Ausstoß im Zeitverlauf sinkt. Auf diese Weise soll der schrittweise Ausbau der erneuerbaren Energien abgebildet werden. Ab 2045 wird – wie im Klimaschutzgesetz festgeschrieben – von einer vollständigen Klimaneutralität ausgegangen.
Baukosten entscheidend für Mehrkosten
Die Autoren der Studie betonen, dass der Großteil der Emissionen im Gebäudebereich künftig nicht mehr beim Heizen anfallen wird, sondern beim Bau eines Gebäudes, bei dessen Instandhaltung und beim Abbruch. Deshalb bewertet die Studie es als sinnvoll, die energetische Betrachtung über die reine Wärmebereitstellung hinaus auf den gesamten Lebenszyklus eines Gebäudes auszuweiten.
Die Studie zeigt auch, dass die Kosten zur Einhaltung des EH-40 Standards teils deutlich höher liegen als bei EH-55. So belaufen sich die Investitionskosten im untersuchten Szenario bei EH-40 auf etwa 2689 Euro pro Quadratmeter – 55 Euro pro Quadratmeter mehr als bei EH-55. Auch die Instandhaltung und der Austausch von Bauteilen im Zeitraum von 50 Jahren ist bei der strengeren EH-40-Reglementierung etwa 10,80 Euro pro Quadratmeter höher. Auffällig ist zudem, dass die Vermeidung einer Tonne CO2 im Standard EH-55 um etwa 37 Prozent günstiger ist als bei EH-40 (4718 Euro gegenüber 7523 Euro). Die Berechnungen wurden auf Basis aktueller Energiepreise durchgeführt.
Weder der Standard EH-40 noch EH-55 berücksichtigen den gesamten Lebenszyklus eines Gebäudes, es geht lediglich um den Energiebedarf im laufenden Betrieb und um die Energie, die das Gebäude an die Umgebung abgibt.“
Die politische Diskussion
Die Grünen-Vorsitzende Lang favorisiert die Mehrkosten für den sozialen Wohnungsbau über eine öffentliche Investitionsgesellschaft zu finanzieren. Dies lehnt Ministerin Geywitz mit Verweis auf die Schuldenbremse ab. Die Wohnungswirtschaft begrüßte den Vorschlag den EH-40-Standard zumindest für ein paar Jahre auszusetzen ausdrücklich. Auch der Bauminister Lies von Niedersachsen begrüßte den Vorstoß von der Bundesbauministerin.
Meinung
Ob der Ansatz der Studie des „Eduard Pestel Institutes“ über den Lebenszyklus bei 50 Jahren letztendlich der absolut richtige ist, kann diskutiert werden. Die Ergebnisse zeigen aber, dass eine Betrachtung der Investitionskosten und der laufenden Kosten über einen längeren Zeitraum das reine Effizienzargument für Energie ohne Betrachtung der Kosten nicht sinnvoll ist. (rm)