Bundeswirtschaftsminister Habeck schlägt einen Industriestrompreis von 6 ct/kWh für bestimmte Unternehmen vor. Der „klar definierte Empfängerkreis“ soll die Differenz zum tatsächlich bezahlten Strompreis erstattet bekommen. „Maßgeblich ist dabei der durchschnittliche Börsenstrompreis in dem jeweiligen Jahr. Die Unternehmen haben somit weiterhin den Anreiz, Strom möglichst kostengünstig und somit marktdienlich zu beschaffen. Zudem wird der Brückenstrompreis nur auf 80% des Verbrauchs Anwendung finden; das schafft Effizienzanreize.“ So das Bundeswirtschaftsministerium.
Haltung des Finanzministeriums
Das Bundesfinanzministeriums nimmt wie folgt Stellung. „In erster Linie auf direkte staatliche Hilfen zu setzen, ist allerdings ökonomisch unklug. Es widerspricht auch den Prinzipien unserer sozialen Marktwirtschaft. Den zum Teil auch von unseren Koalitionspartnern angedachten Industriestrompreis sehe ich deshalb sehr kritisch. Klar ist: Die Energiepreise müssen sowohl für private Stromkunden wie auch für die Industrie bezahlbar bleiben. Extrem teure Subventionen sind dafür aber aus mehreren Gründen der falsche Weg.“
Sicht der Wissenschaft
Vier von fünf Wirtschaftsweisen warnen laut Handelsblatt vor vergünstigten Strompreisen für die Industrie. Sie halten den geplanten Industriestrompreis sogar für gefährlich: „Die Vorsitzende des Sachverständigenrats der Wirtschaftsweisen, Monika Schnitzer, hat sich gegen die Einführung eines vergünstigten Stromtarifs für die Industrie ausgesprochen. „Einen Industriestrompreis für energieintensive Unternehmen halte ich nicht für den richtigen Weg“, sagte Schnitzer dem Handelsblatt.
Ein solches Instrument verteile Steuergelder von weniger energieintensiven Branchen in energieintensive Branchen um. „Das bremst den Strukturwandel, der aber dringend notwendig ist“, so Schnitzer. Es sei sinnvoller, wenn bestimmte Grundstoffe in Zukunft aus Ländern mit günstigeren Energiepreisen kämen und Deutschland sich auf Technologie-Produkte konzentriere, bei denen die deutsche Wirtschaft einen Wettbewerbsvorteil hat.“
Marcel Fratzscher vom DIW auf Twitter: (Zwei von zehn Thesen) „These #1: Ein #Industriestrompreis bremst die ökologische und digitale Transformation, wenn er alte Strukturen zementiert anstelle eine Erneuerung der Industrie zuzulassen. Er wird langfristig eine Deindustrialisierung verstärken, und nicht verhindern, wenn er die Chancen für neue, innovative Ideen und Unternehmen verschlechtert.
These #2: Eine #Deindustrialisierung ist eine Gefahr – nicht jedoch primär wegen hoher Energiekosten, sondern wg einer verschlafenen Transformation. Die Stärke des Wirtschaftsstandorts und die Wettbewerbsfähigkeit seiner Unternehmen hat nie auf günstigen Energiekosten beruht.“
Erläuterungen des BMWK
Um wettbewerbsfähige Strompreise sicherzustellen, schlägt das Konzept zwei Schritte vor. Hierzu sagte Minister Habeck weiter: „Die Industrie soll von günstigem Strom aus Erneuerbaren Energien profitieren – über einen langfristigen Transformationsstrompreis. Der massive Ausbau von Erneuerbaren Energien wird mit klugen Instrumenten für den direkten Zugang der Industrie zu billigem grünem Strom gekoppelt.“
Dazu sollen eine Reihe von Maßnahmen ergriffen werden: Um Industrieunternehmen den Zugang zu kostengünstigen Erneuerbaren Energien zu ermöglichen, soll Strom aus neuen EE-Anlagen zu Preisen nahe an den Gestehungskosten an die Industrie weitergereicht werden. Dies setzt EE-Anlagen voraus, die mittels Contracts for Difference (CfD) finanziert werden. Zugleich soll der Abschluss von PPAs von EE-Erzeugern mit Industriepartnern mit Bürgschaften abgesichert werden, um die Risikoprämien dieser Verträge zu reduzieren (norwegisches Modell). Auch für mittelständische Unternehmen wollen wir den Zugang zu PPA-Modellen verbessern.
Minister Habeck weiter: „Wir können aber nicht warten, bis die Langfristmaßnahmen greifen. Wir müssen die Brücke, die wir mit den Energiepreisbremsen gebaut haben, verlängern. Deshalb ist ein Brückenstrompreis notwendig. Er sichert die Wettbewerbsfähigkeit der energieintensiven Unternehmen in den 20er-Jahren, Arbeitsplätze und Standorte. Konkret sichern wir so gute Arbeitsplätze, komplexe Wertschöpfungsketten und hoch innovative Unternehmen, die sich gerade transformieren.“
Weitere Anforderungen des BMWK
Es gibt zudem klare Bedingungen: Tariftreue, Transformationsverpflichtung, Standortgarantie. Den Unternehmen wird nichts geschenkt, sie werden auf ihrem Weg unterstützt, wenn sie ihn konsequent gehen.
Minister Habeck erklärte abschließend: „Wir wollen Dauersubventionen vermeiden. Daher schlagen wir eine Brücke vor, die dann in eine Zukunft mit niedrigen erneuerbaren Strompreisen und ohne Subventionen führt.“
Meinung
Die Abwanderung von energieintensiven Unternehmen zu verhindern ist ein wichtiger Auftrag des BMWK. Auch die Diskussion ist notwendig, um ein wirkungsvolles Instrument zu schaffen. Eine überbordende Bürokratie und zusätzliche Auflagen bzw. Anforderungen sind aber nicht hilfreich.
Wichtiger wäre jedoch ein Strompreis, der für alle auch in den nächsten Jahren bezahlbar bleibt. Dies ist bei den derzeitigen Maßnahmen aber nicht absehbar, da auch kein nachvollziehbares Konzept ersichtlich ist. Dies verunsichert die Unternehmen. Somit ist die Gefahr der Abwanderung nicht gebannt. Berichte wie in der ARD vom 31.05.2023 lassen nichts Gutes erwarten. (RM)